Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Pressemitteilung

ÖDP-Kandidat übt scharfe Kritik an AfD-Programm

Nidderau – Als realitätsfern, gestrig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet Dr. Ralf Grünke das hessische Landtagswahlprogramm der AfD. Der Wahlkreisbewerber der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) im Wahlkreis 40 ist promovierter Politikwissenschaftler und Extremismusexperte.

 

"Die AfD ist keine Alternative, weil sie keine Lösungen anbietet und ein gestörtes Verhältnis zu den Grundsätzen unserer Verfassung offenbart", erklärt Dr. Grünke. Die AfD hat ihr Programm zur Landtagswahl im Mai verabschiedet, aber erst vor wenigen Tagen im Internet veröffentlicht.

 

Die AfD marschiere schnurstracks auf den Extremismus zu, stellt Dr. Grünke fest. Dies zeige sich vor allem durch das öffentliche Auftreten ihrer Vertreter, werde aber auch in Programmaussagen erkennbar.

 

Ein typisches Kennzeichen für den politischen Extremismus sei eine übersteigerte Wir-gegen-die-Weltsicht. Die Autoren des AfD-Programms wähnten sich von Feinden umgeben. Jeder, der anderer Meinung sei, gelte als ideologisch verblendet. Auch Verschwörungsmythen würden sichtbar.

 

Gerichte fällten Urteile mit "Herkunfts- oder Religionsrabatt", die Strafzumessung richte sich nach der politischen Gesinnung, so das AfD-Programm. Die "Ideologie des Multikulturalismus" gefährde „unsere kulturellen Errungenschaften“. Bund und die Europäische Union verfolgten mit Kulturförderprogrammen "ideologische Zielvorgaben". Politisch korrekte Kunst und Kultur seien "Umerziehungsprogramme". Eine "ausschließlich politisch-ideologisch orientierte Beschulung von Kindern" wolle die AfD in Förderschulen ausmachen. Auch habe die Partei vor, eine "ideologiefreie und sachorientierte Diskussionskultur zur Klima- und Energiepolitik" durchzusetzen.

 

Der Staat kontrolliere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Kinderkanal bis zur Filmindustrie, um die öffentlichen Meinung zu dominieren, hieße es im AfD-Programm. Um die Inhalte von Hörfunk- und Fernsehsendungen in ihrem Sinne zu ändern, versuche die Partei, "in allen Bundesländern Mehrheiten zu gewinnen".

 

Gleich mehrere AfD-Fordungen stünden im krassen Widersprich zum Verfassungsgrundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates. So wolle man den islamischen Religionsunterricht abschaffen und islamischen Gemeinschaften die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts verweigern. Demgegenüber verlange man die bevorzugte Pflege "christlicher Bräuche an allen Kitas", also anscheinend auch an solchen mit ausdrücklich säkularer Ausrichtung.

 

Die einseitige staatliche Benachteiligung des Islams gegenüber anderen Religionen rechtfertigt die AfD mit der großen "Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung", die von der "Präsenz von über fünf Millionen Muslimen" ausginge.

 

Eine solche Feststellung schüre Ängste vor friedliebenden Mitbürgern muslimischen Glaubens und gehe von zweifelhaften Statistiken aus, kritisiert Dr. Grünke. Als Christen oder Juden würden in Deutschland nur diejenigen statistisch erfasst, die einer Kirche beziehungsweise jüdischen Religionsgemeinschaften angehörten. Als Muslime hingegen würden alle mitgerechnet, die selbst oder deren Eltern aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland stammten.

 

Die AfD bediene Ressentiments gegen Menschen nichtdeutscher Herkunft, erläutert Dr. Grünke. Beispielsweise fordere man "hessenweite, verdachtsunabhängige Kontrollen zur Bekämpfung von Ausländerkriminalität". Wie man sich dies genau vorstelle, in welcher Form und in welchem Umfang man ohne konkreten Verdacht oder Anlass Menschen polizeilich kontrollieren wolle, die irgendwie fremd aussähen, darüber gäbe die AfD in ihrem Programm keine Auskunft.

 

Die Partei lehne "jeglichen Familiennachzug für Flüchtlinge" ab. Eine dauerhafte Trennung von Familien führe jedoch zu weniger sozialer Bindung und Stabilität und sorge stattdessen für Frustration und Konflikten. Wer wie die AfD fordere, die "Ausgabe von Geldleistungen an Asylbewerber vollständig durch Sachleistungen" zu ersetzen, unterschätze sträflich den damit verbundenen logistischen Aufwand und verkenne die unterschiedlichen Lebenssituationen der Menschen, die nach Deutschland kämen, meint Dr. Grünke.

 

Besonders ärgert den Ökodemokraten die AfD-Forderung nach einer "Beendigung der doppelten Staatsbürgerschaft". Hierzulande stamme in jeder sechsten Ehe ein Partner nicht aus Deutschland. Jedes fünfte Kind habe zumindest einen Elternteil ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Viele junge Menschen wüchsen mit mehreren kulturellen Identitäten auf und fühlten sich sowohl dem Herkunftsland der Mutter verbunden und zugehörig als auch dem des Vaters. Nach Vorstellung der AfD solle die doppelte Staatsbürgerschaft "auf wohlbegründete Sonderfälle beschränkt". Dies würde Betroffene zwingen, einen Teil ihrer Familie und eigenen Identität aufzugeben und zu verleugnen.

 

Was die AfD zu den Themen Wirtschaft, Energie und Umwelt anböte, sei von gestern und nichts anderes als Wirklichkeitsverweigerung.

 

Die Verfasser des Programms seien Klimaskeptiker, die wissenschaftliche Erkenntnisse und Warnungen von Fachleuten in den Wind schlügen, so Dr. Grünke. Wissenschaftliche Studien über die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Klimaerwärmung basierten aus Sicht der AfD "allein auf Rechenmodellen, die weder das vergangene noch das aktuelle Klima korrekt beschreiben". Die Partei spreche von einer "Vermutung des menschengemachten Klimawandels", was seitens der Fachwelt für Unverständnis und Kopfschütteln sorge.

 

Die AfD strebe immer mehr Wirtschaftswachstum an und wolle dabei mit den Nachbarländern Bayern und Baden-Württemberg gleichziehen, bemängelt Dr. Grünke. Obwohl wir in einer begrenzten Welt lebten, huldigten nahezu alle Parteien einem Wachstumsglauben. Die AfD aber setze indes einseitig auf eine alte Verkehrs- und Energiepolitik.  Sie wolle immer mehr Straßen bauen, insbesondere Umgehungsstraßen. "Mit der AfD bleibt der Verbrennungsmotor", laute ein Satz im Programm.

 

Zum Fluglärm begnüge sich die AfD mit Allgemeinsätzen, nenne aber keine Lösungen. In Bezug auf den Frankfurter Flughafen wolle man dafür sorgen, "dass sowohl Arbeitsplätze gesichert werden als auch das Wohl der Anwohner unter ausreichender Berücksichtigung des Lärmschutzes beachtet wird". Wie man dies nun genau bewerktstelligen wolle, bliebe ein Rätsel.

 

"Hessen ist kein Ökostromland" laute eine Überschrift im AfD-Programm. Die Partei lehne sowohl die Nutzung der Windenergie als auch des Sonnenlichts durch Photovoltaik in Hessen als unrentabel und teuer generell ab.

 

Dr. Grünke plädiert für einen sachlichen Umgang mit der AfD, auch wenn diese ihrerseits Sachlichkeit in der Diskussion oft vermissen lasse. Der Inhalt des neuen Wahlprogramms der AfD zeige eine Nähe zum Extremismus, reiche jedoch nicht zur Einstufung der Partei im Ganzen als rechtsextremistisch. Dabei sei zu bedenken, dass Parteien grundsätzlich dazu neigten, in Programmtexten eher gemäßigt zu formulieren, um nicht ins Visier der Verfassungsschutzbehörden zu geraten. Die Beurteilung von Parteien und ihrer Nähe zum Extremismus könne sich folglich nicht auf die Analyse von Programmtexten beschränken.

 

Der Politikwissenschaftler hat seine Doktorarbeit über den Umgang der Volksparteien mit den Republikanern geschrieben und im Promotionskolleg "Politischer Extremismus und Parteien" mitgearbeitet. In dem in diesen Tagen erschienenen Buch "Demokratie in unruhigen Zeiten" hat er ein Kapitel verfasst.

 

Pressekontakt:

Dr. phil. Ralf Grünke
Tel. 06187/952512

ralf.gruenke@oedp.de

www.facebook.com/ralfgruenke

Zurück